Interview: Peter Wagner
Fotos: Daniela Schmid
Wir befinden uns in der „Needle“ des Grazer Kunsthauses. Aktuell ist hier die SteiermarkSchau zu Gast, die sich mit dem Thema „Was sein wird“ beschäftigt. Bei den Exponaten spielt auch die Verwendung von Holz eine gewichtige Rolle und insofern sind wir schon mitten im Thema. Was wird denn sein?
Christian Tippelreither: Es wird sich viel verändern in der Gesellschaft. Auch der aktuelle UNO-Klimabericht vom Sommer 2021 bestärkt uns darin, dass wir uns als Holzcluster Steiermark mit dem Werkstoff des 21. Jahrhundert beschäftigen. Ich denke, wir werden in Zukunft noch viele Möglichkeiten haben, Holz im Bau in die Höhe und Breite einzusetzen. Bei Dachaufstockungen etwa hat Holz tolle Eigenschaften und das wird helfen, Holz noch stärker im Bau zu verankern, aber wir werden Holz auch dorthin zurückbringen, wo es früher bereits angewendet wurde – etwa in Straßenbahnen oder der Mobilität. Auch hier im Kunsthaus zeigt sich gut, wo die Reise noch hingehen kann.
Joachim Reitbauer: Wenn man sich die ganzen Entwicklungen des Klimas und die CO2-Belastung anschaut, glaube ich, dass die Naturfaser – Holz in der Zukunft eine viel wichtigere Rolle spielen wird. Die Herausforderung wird sein, in welcher Wertschöpfungsform wir sie wo umsetzen werden. Auch wird die Frage sein, wo welche Naturfaser aufgrund der aktuellen Temperatur- und Klimaentwicklungen wachsen wird.
Erhard Pretterhofer: Holz wird in Zukunft in viel mehr – auch technischen – Anwendungen zum Einsatz kommen, die man sich heute vielerorts noch gar nicht richtig vorstellen kann. Holz ist zwar überall sichtbar, weil es so viel Wald gibt in Österreich, aber es wird eine neue Herausforderung auf uns zukommen: Der Werkstoff Holz wird knapper werden – aus dem einen einfachen Grund, dass Holz viel öfter zum Einsatz kommen wird. Wir werden daher die Effizienz steigern müssen.
Christian Tippelreither
Seit 20 Jahren gilt der Holzcluster Steiermark als Vernetzer zwischen Politik, Wirtschaft und Forschung – und damit zwischen vielen jener Bereiche, die gerade angesprochen wurden. Wie wichtig ist der Cluster in Hinblick auf das, was sein wird?
Tippelreither: Die Clusterlandschaft hat in der Steiermark eine maßgebliche Rolle für die Holzwertschöpfungskette, weil wir als Organisation Innovationen screenen und Trends scouten können. Das ist insofern von großer Bedeutung, weil Betrieben oft Ressourcen für diese Bereiche fehlen. Gleichzeitig vernetzen wir Wissenschaft und Wirtschaft, was zu neuem Wissen und zu neuen Anwendungen, Produkten und erweiterter Wertschöpfung führt – und am Ende des Tages auch zu Arbeitsplätzen in der Region.
Erhard Pretterhofer
WoodC.A.R. war ein Highlight der letzten 20 Jahre. Warum eignet sich dieses Erfolgsprojekt des Holzcluster Steiermark besonders gut, um die Potenziale des Werkstoffs Holz zu betonen?
Pretterhofer: Bei einem Fahrzeug sind Sicherheit und Berechenbarkeit von Werkstoffen von großer Bedeutung. Wenn man es in diesem Bereich schafft, ein entsprechendes und mehr als konkurrenzfähiges Produkt entstehen zu lassen, ist es auch in anderen Bereichen möglich. Es wirkt Vorurteilen entgegen, wonach Holz gewisse Dinge einfach nicht könne. Nur durch Leuchtturmprojekte wie WoodC.A.R. schaffen wir es als Branche wieder Geschäftsfelder zu erschließen, aus denen Holz von Konkurrenzwerkstoffen verdrängt wurde.
Joachim Reitbauer
Brettsperrholz (BSP) hat seit Start des Holzclusters eine enorme Entwicklung genommen. Welche Bedeutung hat BSP für die Branche mittlerweile?
Reitbauer: Man kann an BSP gut die Innovationszyklen unserer Branche ablesen: 1991 kam die Idee auf, die Firma KLH, die als erste damit begann BSP im großen Stil einzusetzen, wurde 1998 gegründet. In der Halbleiterindustrie braucht man diese sieben Jahre nicht. Es sind mittlerweile viele neue Betriebe gegründet worden, es gibt Tausende neue Mitarbeiter. BSP wird bald die Grenze von einer Million Kubikmeter in der Produktion überschreiten, es wird nach Japan, in die USA und nach Australien exportiert – nicht nur Produkte, sondern auch Technologien. Ausgehend von der TU Graz – das ist eine großartige Entwicklung.
Tippelreither: Wie positiv es ist, wenn Betriebe und Branche sowie Entwicklung und Forschungseinrichtungen zusammenwirken, zeigt sich gerade bei so einem Thema besonders. Wir gehen seit 20 Jahren einen Innovationsweg gemeinsam – und es liegen noch viele Jahrzehnte vor uns.
Wie hat sich die Relevanz des Holzcluster Steiermark verändert? In einem Artikel in der Kleinen Zeitung aus den Nullerjahren war zu lesen, der Holzcluster sei der kleine Bruder des – damals noch so benannten – Autoclusters.
Tippelreither: Vom kleinen Bruder spricht heute keiner mehr. Die Holzbranche sichert 50.000 Arbeitsplätze in der Steiermark. Wir sind ein ebenbürtiger Partner geworden und sind mit anderen Clustern und Branchen auf Augenhöhe.
Ein Faktor dafür sind Innovation und Digitalisierung. Warum werden diese Themen in den kommenden 20 Jahren für die Holzbranche noch untrennbarer voneinander werden?
Tippelreither: Es sind die Querschnittsmaterien, die uns von Forst über Industrie bis hin zu handwerklichen Anwendungen im Gewerbe begleiten. Durch die Digitalisierung werden uns viele Innovationen ermöglicht. Man muss sich nur künstliche Intelligenz anschauen: Das ist Wissenschaft und Forschung der 1990er-Jahre, aber die moderne Computerleistung und Datenverarbeitung ermöglicht uns in der Holzbranche erst, die Potenziale voll auszuschöpfen. Im Forstbereich etwa wird die dynamische Waldtypisierung Thema werden – Tausende Datensätze werden dem Waldbauern Hilfestellung leisten, welche Baumartengesellschaft sich auf seinem Waldstück am klimafittesten anbietet. Und irgendwann wird man auch im klassischen Handwerksbereich Robotik Lösungen einsetzen.
Was sein wird, haben wir schon am Anfang angesprochen. Wenn wir in 20 Jahren wieder hier sitzen, wird dann zum Beispiel von hier, von der „Needle“ des Grazer Kunsthauses aus, dass Holz noch sichtbarer geworden sein beim Blick über die steirische Landeshauptstadt?
Reitbauer: Ich muss Holz nicht immer sehen, Anwendung geschieht auch anders. Wichtig wird sein, dass wir die Kombination aus dynamischer Naturentwicklung und Technik sowie wirtschaftlicher Entwicklung in Einklang bringen. Wir müssen genügend Betriebe und Mitarbeiter haben, die sich gerne mit dem Werkstoff beschäftigen und ihn weiterentwickeln. Auch brauchen wir Produkte und Prozesse, die der Nachhaltigkeit entsprechen. Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung ist auf Holz zugeschnitten.
Pretterhofer: Wir müssen Produkte haben, die es den Akteuren in der Kette erlaubt, Wertschöpfung zu generieren – von der Industrie bis zum Waldbauern. Ich bin mir sicher, dass Holz in vielen Anwendungen selbstverständlich wird, in denen wir uns das heute in der breiten Masse noch gar nicht vorstellen können.
Tippelreither: Wir werden Hochhäuser aus Holz sehen, wir werden Wohnbauten sehen, wir werden Interieur aus Holz im öffentlichen Verkehr sehen und Flugzeugteile. Am wesentlichsten werden wir den Aufstieg des Werkstoffs Holz aber daran merken, dass in 20 Jahren auch jene Teile der Gesellschaft, die nicht besonders holzaffin sind, keine Vorurteile mehr gegenüber unserer Naturfaser haben. Nicht zuletzt, weil Holz eine wichtige Antwort auf die Klimakrise ist.
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